Ich habe in den letzten Wochen einiges erlebt, über das ich hier noch gar nicht berichten konnte. Außerdem musste ich erst ein wenig recherchieren, um die richtigen Wörter für diese Geschichte zu finden. Wobei es nicht darum geht, eine Geschichte zu erfinden. Auch wenn es wenig glaubwürdig klingt, was ich erlebt habe.
Ich habe die letzten drei Heimspiele der Bielefelder Arminia vollkommen kostenlos besuchen können. Ich habe nichts für die Karten zahlen müssen. Und nun frage ich mich, ob ich das nicht dauerhaft so machen sollte: Zum Fußball gehen und nichts dafür bezahlen. Aber bevor diese Frage zur Disposition steht, schildere ich, wie es dazu kommen konnte.
Ich habe hier in Bielefeld einen guten Freund namens A., der mittlerweile stolzer Besitzer einer Dauerkarte ist und mit dem ich sehr gerne Fußball schaue. Ob im Fernsehen, per Stream oder halt im Stadion, ist egal. Es macht immer Spaß. Also fragte er mich, ob ich nicht zum Spiel gegen Frankfurt gemeinsam mit ihm ins Stadion gehen wolle. Die Stehplätze waren zwar schon ausverkauft, aber auf dem Schwarzmarkt vor dem Stadion wären sicherlich noch Karten zu haben, versicherte er mir.
Also machten wir uns auf den Weg zum Stadion. Vor dem Eingang patroullierten schon die professionellen Ticket-Wiederverkäufer. 25 Euro wollten die für eine Stehplatzkarte haben! Das ist ja mal feinster Wucher. Bisher hatte ich in meinem Leben noch keine Karten auf dem Schwarzmarkt gekauft. Also zumindest nicht direkt vor dem Stadion. Es kostete mich also einiges an Überwindung auf die Heerscharen eintrudelnder Fans zuzugehen und sie nach Stehplatzkarten zu fragen. Schließlich sind mir diese Leute alle gänzlich fremd.
Es schien aussichtslos. Niemand hatte eine Karte über. Außer die wuchernden Professionellen. Aber 25 Euro war mir das Spiel nicht wert (was sich angesichts des Spiels als überaus richtige Einschätzung erwiesen hat. Schließlich war es das schlechteste Spiel, an welches ich mich noch erinnern kann, es gesehen zu haben.) 20 Minuten vor Anpfiff wollte ich aufgeben und A. alleine mit seiner Dauerkarte ins Stadion schicken, als aus dem Nichts P. vor uns trat und fragte, ob wir nicht mit ihm in Stadion gehen wollten. Er hätte noch zwei Sitzplatztickets. Als wir abwinkten und sagten, dass wir uns das nicht leisten könnten, meinte er nur: “Ach Quatsch! Ist umsonst. Kauft mir ne Bratwurst und ne Cola und dann passt das.”
Es ist klar, dass wir da nicht nein sagen konnten: Statt 32 Euro pro Karte nur Bratwurst und Cola. Er hatte die Dauerkarten für die guten Plätze auch nur kurzfristig bekommen und niemanden aus seinem Bekanntenkreis gefunden, der Zeit und Lust hatte, ihn zu begleiten. Leider haben wir P. nach dem Abpfiff aus den Augen verloren. Dann halt noch mal auf diesem Wege: Danke P.!
Das darauf folgende Heimspiel gegen Wolfsburg habe ich mit der Dauerkarte von A. besucht. Er war im Urlaub und hat mir die Karte daher vertrauensvoll ausgehändigt. Eine vergleichsweise einfache Übung. Aber es war das zweite Spiel in Folge, das ich umsonst sehen konnte. Gegen Schalke würde es dann nicht mehr so leicht werden.
Am vergangenen Freitag schien die Sonne und ich hatte richtig Lust auf Fußball im Stadion. Es war klar, dass A. wieder im Stadion sein würde, schließlich kam das in Ostwestfalen teils verhasste und teils geliebte Schalke auf die Bielefelder Alm. Bei diesem Wetter wollte ich ihn nicht alleine ziehen lassen. Allerdings war das Stadion schon seit Wochen ausverkauft. Die Schwarzmarktsondierung bei Ebay ließ mich erst recht pessimistisch werden. Für mehr als 20 Euro gingen die Karten über den virtuellen Tresen. Für Stehplatzkarten wohlgemerkt. Nachmittags war ich wegen anderer Geschichten am Bahnhof und da ich es nun schon geübt war, hatte ich überhaupt keine Probleme, die Fans in Kutte und Trikot anzusprechen, um sie nach Karten zu fragen. Leider Fehlanzeige.
Allerdings bekam ich den Tipp, dass jemand noch vierzig Karten habe und sie nun vor dem Stadion verkaufen würde. Also machte ich mich schon um 17.30h auf den Weg ins Stadion. Aber der genannte Profi hatte schon keine Karten mehr und versuchte nun selbst, neue Karten zu ergattern. In diesem Moment hatte ich schon aufgegeben. Es würde keine Karte mehr zu bekommen sein. Auch wenn ich es die nächsten drei Stunden versuchen würde.
Ich entschied mich also für einen Spaziergang über den Siggi Richtung Bahnhof. Am Siggi probierte ich es dann noch einmal bei zwei Herren mittleren Alters in Trikots. Bier in der Hand, wild gestikulierend und eine Mischung aus Englisch und Ostwestfälisch sprechend. Erst wimmelten sie mich ab, sie hätten keine Karten. Ich müsste halt den Anpfiff abwarten, um dann noch eine Karte abzugreifen. Das wäre mir zu blöd, sagte ich und kam darüber irgendwie mit ihnen ins Gespräch über Fußball.
Irgendwann kam M. dann um die Ecke mit der Ansage: “Du kommst heute umsonst ins Stadion!” Erst dachte ich, dass er mich jetzt verarschen will. Aber dann zückte er drei Dauerkarten und sagte: “Die ist über. Du scheinst ja ganz in Ordnung zu sein. Einzige Bedingung ist, dass du jetzt bei uns bleibst und mit uns Bier trinkst.” Nun, das war wirklich keine Einschränkung für mich, passen Bier und Fußball doch ideal zusammen. Ich habe dann die erste Runde bezahlt, der Rest ging auf M. und D. Also war ich das dritte mal in Folge kostenlos im Stadion und diesmal sogar noch ziemlich angeheitert.
Mein Leben als Kommensale in Bielefeld gefällt mir eigentlich ganz gut. Zumal es sich um eine Probiose handelt, weil ich niemandem zum Nachteil handele, sondern ganz im Gegentiel mit gepflegter Konversation zu unterhalten weiß, wenn man mich mit zum Fußball nimmt. Jetzt frage ich mich, ob ich dieses bisher ungewollte, zufällige Schmarotzen auf die Spitze treiben sollte und auch die Heimspiele gegen Stuttgart und den FC Bayern in Angriff nehme. Irgendwo bleibt ja immer eine Karte über, die es nur aufzusammeln gilt. Das wäre mal eine neue Herausforderung: Stadionbesuche für lau und zwar am besten dort, wo es ausverkauft ist. Neuer Trend oder alter Schnee von gestern?
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10 Kommentare
Solange du nicht zum Ostwestfalen-Bielefelder-Fan mutierst ist das eine feine Sache
Man muss für Heimspiele der Arminia bezahlen??? 8-\
also vlt kriegste meine dauerkarte für block3 das nächste mal….so ein scheiss wie die zusammen spielen. naja spaß beiseite, dafür leiden wir arminen viel zu gerne
ein tipp: unten wenn man aus der station rudolf oetker halle rauskommt steht da immer ein spezialist mit karten:p
Also Armine werde ich nicht mehr. Also im Sinne eines Vollblut-Fans. Das bleibt die Hertha, keine Sorge. Ich bin gerne auf der Bielefelder Alm, aber Hertha ist für mich die Nummer eins.
@Tünsel05: Ja, genau den Typen meinte ich. Es gibt ja den jüngeren, südländischen Typen. Der sollte angeblich Karten haben, hatte aber keine. Und dann gibt es noch diesen hageren Typen, der irgendwie ein wenig verrückt aussieht. Der wollte mir auch keine verkaufen. Zumal ich schon schrieb, dass die Preise abrufen, die ich nicht bezahlen werde…
Erst einmal herzlichen Glückwunsch, auch wenn der freie Eintritt Dir nicht die besten Partien serviert hat, aber gilt hier nicht der Volksmund:
“Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul” . (Hat Letzterer nicht mal bei Bielefeld gespielt??)
Zwei Fragen stellen sich mir darüber hinaus:
Ist dieses Glück in Deiner Person begründet oder liegt es an den Bielefelder Fußballzuschauern?
Um das herauszufinden, solltest Du vielleicht einmal probieren, höher-wertige Ziele anzustreben, z.B. auf einem Flughafen heute Nachmittag: “Haben Sie noch einen Frei-Flug nach Barcelona und vielleicht auch noch, wenn’s keine Umstände macht, ein Ticket ins Camp Nou?”
Ich wünsche Dir dabei ganz viel Erfolg!!!!
Also ich denke hier ist ein sowohl-als-auch für eine Antwort sehr treffend. Sicherlich sind die Bielefelder ein ganz sympathisches und offenes Völkchen. Allerdings nur, wenn man sich auf sie einlassen kann. Die ostwestfälische Maulfaulheit ist gewöhnungsbedürftig. Aber nach mehr als vier Jahren komme ich damit sehr gut zu recht.
Andererseits bin ich sicherlich den Bielefeldern nicht ganz unsympathisch. Und ich glaube keiner meiner Gönner hat seine Entscheidung im Nachhinein bereut.
Ob ich mich allerdings gleich mit einem Flug nach Barcelona und Eintrittskarten fürs Camp Nou versuchen sollte, halte ich für fraglich. Zumindest jetzt sofort. Das wäre ja so, als wenn man nach einem erfolgreich absolvierten Probetraining bei der TuS Hillegossen gleich im Anschluss bei der ersten Mannschaft des FC Bayern vorstellig wird. Der nächste Schritt und die große Herausforderung bestünde für mich darin, zum ausverkauften Spiel der Bayern wieder umsonst ins Stadion zu kommen. Danach könnte ich über Barcelona nachdenken…
Tach Enno,
ich bin auch Herthaner in OWL und fühle mich ziemlich einsam…wie wärs mit Kollektivleiden mit der alten Dame in Bielefelder Kneipen…oder nächsten Samstag auswärts nach Hannover….meld dich einfach per Mail, wenn du Interesse hast und das mit den kostenlosen Almspaziergängen nicht mehr funktioniert…
Gruß.
Sebastian
Das klingt ja großartig! Gerne können wir uns mal treffen. Am Wochenende werde ich allerdings in Bremen sein. Aber vielleicht treffen wir uns dann zum Spiel gegen Bremen. Das fällt ja auch auf einen Sonntag, sodass wir viel vom Spiel sehen werden, wenn in der Kneipe nur Konferenz gezeigt wird. Ich meld mich dann noch mal bei dir!
Perfekt!…wo guckst du immer in Bölefeld?
Unterschiedlich: Mal im Siekerfelde, mal im Rockcafé, nicht mehr so oft im Royal in der Rohrteichstraße, häufiger in letzter Zeit im Stolander.
Ich schick dir mal eine Mail, dann brauchen wir das hier nicht zu besprechen.
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