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Ist Hertha der alte FC Bayern?

Derzeit ist das Leben als Herthaner so unbeschwert und traumwandlerisch als schwebte man in einer fluffigen, blau-weißen Wolke durch den sonst so beschwerlichen Alltag. Der aktuelle Erfolg wird für massive Einbrüche auf dem Berliner Schwarzmarkt für berauschende Substanzen allerlei Art sorgen. Denn Herthaner müssen einfach nur auf die Tabelle schauen und schon ist die Wolke wieder da.

Mittlerweile respektieren das auch die meisten Nicht-Herthaner. Dass Hertha derzeit an der Tabellenspitze steht, können sie sich zwar nicht erlären, aber sie müssen es halt akzeptieren. Die meisten Beobachter wurden von der Realität mittlerweile eingeholt. Nun sind sie jedoch ziemlich irritiert und versuchen für das Tabellenbild und vor allen Dingen für Herthas Leistung eine plausible Erklärung zu finden. Dabei kam nun ein Erklärungsversuch auf, den ich kurz diskutieren möchte.

“Die aktuelle Hertha sei der alte FC Bayern”, lautet der einfache Vergleich, mit dem der Erfolg von Hertha BSC erklärt werden soll. Das durfte ich in den letzten Tagen an verschiedenen Orten lesen und in privaten Gesprächen auch zu Ohren bekommen. Zuletzt schrieb Breitnigge via twitter diese These auf.

Was spricht für die Plausibilität dieses Vergleichs?

  • Hertha steht zu Beginn des letzten Saisondrittels an der Tabellenspitze. Dieser Platz gebührt qua Gewohnheitsrecht den Bayern.
  • Hertha stellt mit Simunic den besten Verteidiger und mit Drobny den besten Torwart der Liga. Eigentlich eine klassische Bayern-Domäne.
  • Dies drückt sich auch in der Anzahl der Gegentore aus, die Hertha hinnehmen müsste. Dieser niedrige Wert erinnert stark an Hitzfelds Zeiten.
  • Honeß hier und Hoeneß da.
  • Hertha gewinnt Spiele, bei denen sich der neutrale Beobachter nicht erklären kann, warum das Spiel ausgerechnet diesen Sieger gefunden hat.
  • Viele Beobachter schätzen Herthas Spiel als ähnlich unansehnlich ein, wie das Gekicke der alten Bayern.

Welche Gründe sprechen gegen den Vergleich von Hertha BSC mit dem alten FC Bayern?

  • Mal davon abgesehen, dass es sich bei den letzten beiden Argumenten pro Plausibilität des Vergleichs um subjektive Einschätzungen handelt, muss festgehalten werden, dass Hertha die meisten Spiele nicht zufällig gewonnen hat. Eine überaus raffinierte Spielorganisation ist der primäre Grund für die Siege. Um dies zu würdigen, bedarf es allerdings der Beobachtung eines gesamten Spiels und eines geschulten Auges. Das haben wohl die Wenigsten.
  • Von Bayern-Dusel bei Hertha BSC kann also überhaupt keine Rede sein. Nur weil knapp gewonnen wird, kann man noch nicht von Bayern-Dusel sprechen. Die defensive Ausrichtung führt halt nur in Ausnahmen zu hohen Siegen. Dabei spielt Glück keine Rolle, weil es in erster Linie darum geht, das Spiel des Gegners zu verhindern und das Spielgeschehen zu kontrollieren, aber nicht unbedingt darum, abzuwarten bis endlich mal die Flanke von Sagnol zu Ballacks Kopf durchkommt. Jüngstes Opfer dieser Strategie war Leverkusen.
  • Im Vergleich zu den alten Bayern ist die Qualtität des unansehnlichen Spiels eine ganz andere. Wie hat Bayern damals seine Spiele gewonnen? 80 Prozent Ballbesitz, mit elendig langen Ballkontakten und Mittelfeld-Quergeschiebe, dann irgendwann eine Sagnol-Flanke aus dem Halbfeld, Kopfball Ballack, Tor. Das war das Spielkonzept der alten Bayern: Ballbesitz und Ballack. Hertha dagegen spielt atemberaubend schnellen Fußball nach britischem Vorbild. Die durchschnittliche Dauer eines Ballkontakts liegt bei 1,1 Sekunden. Das ist Championsleague-Niveau. Die Präzision der Pässe ist ebenfalls sehr hoch, der Ballbesitz dagegen äußerst gering. Darüber hinaus betreibt die Mannschaft enormen läuferischen Aufwand. Wenn ich da an die alten Bayern und ihren Standfußball denke, muss ich sagen, dass der Vergleich arg hinkt.
  • Ein weiteres Detail: Die Bayern hatten unter Hitzfeld und Magath keine offensive Spielkultur, sondern lediglich exzellente offensive Spieler und einen gut durchdachten und einstudierten Plan für die Verteidigung. Das ist aber ein Unterschied zu Hertha, die taktisch sowohl in der Defensive als auch der Offensive hervorragend arbeitet und dabei weitestgehend ohne Spieler des Prädikats “Weltklasse” auskommt.
  • Es zählt die Teamleistung bei Hertha. Man kann über Voronin oder Pantelic schreiben, was man will. Es ist das Team, das den Erfolg bringt. Und diese Hertha-Mannschaft wird in der kommenden Saison den gleichen Erfolg haben, wenn die beiden den Verein im Sommer verlassen haben werden. Der alte FCB entschied die Spiele durch individuelle Klasse. Teuer erkaufte, individuelle Klasse, die einen Umbruch provozierte, jedes mal wenn einer dieser Spieler den FCB verließ.
  • Hertha dagegen arbeitet effektiv. Schon im November war Hertha an der Spitze, wenn es um die erzielten Punkte pro ausgegebener Millionen Euro geht. Bayern ist in dieser Kategorie die letzten Jahrzehnte immer letzter gewesen (oder hat zumindest einen der letzten Plätze belegt).
  • Hertha ist nicht arrogant, weder auf dem Platz, noch daneben.

Für mich ist doch recht deutlich, dass der Vergleich von Hertha mit den alten Bayern ziemlich unpassend ist, weil es in konzeptionellen Fragen und wichtigen Details entscheidende Unterschiede gibt, die man nicht einfach glattbügeln und ignorieren kann. Schließlich sind wir hier ja nicht beim DFB. Will man einfach nur einen Spruch parat haben, kann man den Vergleich dennoch bringen. Um allerdings ernsthaft über Fußball sprechen zu können, taugt er aber nichts.

Die viel interessantere Frage ist doch eigentlich, wann Klinsmann es schafft seine Bayern so gut spielen zu lassen wie die Hertha es Woche für Woche vormacht.

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10 Kommentare

  1. Erstellt am 17. März 2009 um 08:31 | Permanent-Link

    Alles soweit richtig. Nur beim Thema Voronin weiche ich mit meiner – zugegeben laienhaften – Meinung ab. Voronin ist für das System Hertha immens wichtig, nicht nur wegen seiner technischen Klass, sondern vor allem wegen seiner Laufbereitschaft und seiner Kapazität, die Mannschaft “mitzureißen”. Er fungiert als Anspielstation für lange Bälle, Vorbereiter, Vollstrecker, zieht Verteidiger auf sich und arbeitet “nach hinten” prima mit. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Hertha ohne ihn das Spiel gegen Leverkusen auch gewonnen hätte. Aber das kann ich natürlich nicht beweisen. ;)

  2. Erstellt am 17. März 2009 um 08:37 | Permanent-Link

    Sicher ist Voronin unglaublich wichtig. Das möchte ich gar nicht bestreiten. Es ist nur so, dass Herthas Spiel in der Offensive nicht darauf ausgelegt ist, sich allein auf seine Klasse zu verlassen. Das ist der Unterschied zum alten FCB. Niemand bei Hertha BSC will Voronin missen!

  3. Erstellt am 17. März 2009 um 11:44 | Permanent-Link

    ich gebe Dir in allen Dingen recht, außer EINEM:
    Nicht Drobny sondern ENKE ist der beste Torwart der Liga! ;-)

  4. Erstellt am 17. März 2009 um 12:04 | Permanent-Link

    Ey, ihr glaubt ja nur weil ihr die Hauptstadt seid (VORurteile gegenüber uns “Dörflern”?!) habt ihr die schale verdient, ABER wern ja erst noch sehn wer am Ende Meister wird! HOFFE! HOFFE!

    • Erstellt am 18. März 2009 um 11:56 | Permanent-Link

      Nein, wir spielen besseren Fußball. Und Hoffenheim hat sich noch überhaupt nichts verdient.

  5. Erstellt am 17. März 2009 um 20:56 | Permanent-Link

    Na dann.

    Entschuldige bitte nochmal, dass Dich mein Tweet so aufgefühlt hat. So sehr, dass Du diesen Beitrag schreiben und so – völlig unübliche – Argumente wie die sog. Arroganz der Bayern als Belege heranziehen musstest.

    Das wollte ich nicht. Dass Du in derlei Abgründe schauen musstest…

    Darüberhinaus kann ich natürlich verstehen, dass man als Hertha-Fan – nach all den schlimmen letzten Jahren – nun geradezu aufblüht und sich argumentativ auf der Überholspur sieht.

    Trotzdem wirst Du mir zugestehen, dass ich mein eigenes Urteil über die vollen 90 Minuten habe, die ich beim Gastspiel der Bayern in Berlin “bewundern” durfte.

    Dass ihr euch schon auf Liverpool- und ManU-Niveau seht, ist natürlich ‘ne feine Sache. Spricht aber für sich.

    Mein Eindruck beim 1:2 der Bayern war allerdings, dass die Hertha defensiv sehr gut stand. Machen aber viele andere Teams der Liga gegen uns auch. Nix besonderes. Und zu dieser Phase sogar sehr erfolgreich. Selbst “Gurkentruppen” wie der kölsche FC hatte in diesen Wochen die Option uns im eigenen Stadion mürbe zu verteidigen und auszukontern.

    Was ich sagen will: Mich hat die Leistung der Hertha gegen uns nicht sonderlich begeistert. Ganz im Gegensatz zu den englischen Spitzenteams, die sich ja inzwischen hinter euch verstecken können.

    Nein.

    Die Tabelle lügt nicht. Und wenn Hertha vier Punkte Vorsprung hat, dann ist das so korrekt. Wenn ich allerdings daran denke, wie sehr sich diverse Spitzenteams (also echte jetzt) in dieser Saison schon gegen die Tabellenführung gewehrt haben (dabei ich lasse die Fehlentscheidungen mal aussen vor) und wie das Hinspiel in München ausgegangen ist (schon so lange her?), dann ist ein aus-dem-Fenster-lehnen argumentativ schon ein wenig feist. Oder so.

    Was ich übrigens eigentlich beabsichtigt habe, Dir mit meinem Tweet zu verdeutlichen, war die Tatsache, dass ich denke, dass die aktuelle Hertha hammereffektiv ist. Ganz so wie die “alten Bayern”.

    Ein derart großes Fass wollte ich gar nicht öffnen (lassen) – oft zeigt sich aber allein schon an der Reaktion des Gegenüber, wo der Hase eigentlich im Pfeffer liegt…

    • Erstellt am 18. März 2009 um 12:09 | Permanent-Link

      Danke für deine ausführliche und kritische Antwort.

      Dein Tweet war für mich ja nur der berühmte Tropfen. Vorher musste ich mir den kompletten Samstag-Abend beim Pokern das immergleiche Anhören. Dann waren da noch einige Zeitungsartikel, die mich genervt haben. Es gibt also nichts, für das du dich entschuldigen müsstest.

      Ja, meine Argumentation ist sicherlich etwas, sagen wir, von blau-weißer Euphorie gefärbt. Und die Kürze eines durchschnittlichen Ballkontakts macht noch lange kein ManU oder Liverpool. Da fehlt noch einiges, das ist klar. Mir ging es vor allem darum, dass Herthas Spielanlage eine andere ist.

      Und was in meinem Beitrag dummerweise keine Erwähnung findet, ist ja die Tatsache, dass mit diesem Vergleich auch ziemlich viel Anerkennung für die Leistung und die Effektivität mitschwingt. Aber gerade heraus können das bisher die wenigsten “neutralen” Beobachte sagen. Und das nervt halt irgendwie.

      Übrigens waren die Anmerkungen wie

      “Dazu bedarf es allerdings der Beobachtung eines gesamten Spiels und eines geschulten Auges. Das haben wohl die Wenigsten.”

      nicht auf dich gemünzt. Nur um Missverständnisse ausschließen zu können. Ich schätze dich ja als kompetenten Analysten.

      Die Reaktion erklärt sich also nicht allein aus deinem Tweet, sondern durch eine Menge verschiedener Äußerungen. Und Dreistigkeit macht ja auch Spaß. Wie gesagt: Widerspruch wird erwartet! Aber du musst uns Herthanern ja auch zugestehen, dass wir noch lernen müssen, mit dem Erfolg umzugehen. Derzeit sieht es so aus, als hätten wir noch eine Weile die Gelegenheit, zu lernen.

  6. Erstellt am 19. März 2009 um 21:09 | Permanent-Link

    @Enno: Danke. Für Deine Antwort. Sie bestärkt mich in dem Eindruck, dass es durchaus noch Menschen, Blogger, etc. gibt, mit denen man zum einen kontrovers diskutieren kann, aber genauso schnell wieder die Sachebene erreicht.

    Nicht jeder hätte nach meinem Kommentar so entspannt reagiert. Find ich gut. In letzter Zeit hab’ ich schon fast geglaubt, “die Anderen” nehmen Überhand…

    Und Deine Erklärung tut ihr selbiges. Erklären. Und zwar die Form und den Inhalt Deines Beitrages. Da hat man dann direkt noch ein wenig mehr Verständnis für Dich und Deine Motivation.

    Alles wieder gut. Wir haben uns wieder lieb. ;-)

    • Erstellt am 19. März 2009 um 22:51 | Permanent-Link

      Ja, es ist in der Tat manchmal ziemlich schwierig unter Bloggern eine halbwegs sachliche Diskussion zu führen. Zumal einige Kommentatoren, die dann ihre Meinung auf Foren-Niveau beisteuern, ihr übriges zutun. Aber mir würde das Bloggen keinen Spaß machen, wenn ich diese Ebene immer mitgehen würde. Ich bemühe mich jedenfalls, so gut es geht. Und es freut mich zu lesen, dass das ankommt. Vor allem, wenn man unterschiedlicher Meinung ist.

      Und gerade in der Bewertung von Fußball-Mannschaften und deren Leistungen gibt es bei fünf Beobachtern häufig sieben Meinungen. Für mich also kein Grund, irgendetwas persönlich zu nehmen. Und sicher kann man Hertha auch negativer sehen, als ich es tue. Aber dass ich diese Meinung teile, darf niemand erwarten. Allerdings erwarte ich ebenso den Widerspruch, wenn andere zu eigenen Ansichten kommen. Insofern noch einmal der Dank für deine ausführlichen Statements.

3 Trackbacks

  1. Von RammBlog am 17. März 2009 um 00:44

    Bayern vs. Hertha…

    Großartiger Beitrag von Enno auf Welt Hertha Linke. Ist Hertha der alte FC Bayern? Lieblingsstelle:
    Mal davon abgesehen, dass es sich bei den letzten beiden Argumenten pro Plausibilität des Vergleichs um subjektive Einschätzungen handelt…

  2. [...] Blogosphäre geht ab und an auch eher abstrus anmutenden Fragen nach: “Ist Hertha der alte FC Bayern?” Dennoch lesenswert. Weitere Fragen schließen sich an: Ist der FC Bayern die alte Hertha? Ist [...]

  3. [...] sollten uns diese Träume auch gestatten dürfen. Doch es wird immer wieder so kommen, dass man aus seiner Wolke fällt, weil die Mannschaft eben doch noch nicht so weit ist, wie man das gehofft hatte. Und dann [...]

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