Hertha hat ein Image-Problem. Obwohl das genau genommen gar nicht stimmt. Denn Hertha hat überhaupt kein Image-Problem, sondern ein ganz formidables Image, jedoch ein Problem mit diesem annehmbaren Image. Also hat Hertha kein Image-Problem, sondern Komplexe.
Entgegen der landläufigen Bezeichnung als alte Dame verhält sie sich, was ihr Image angeht, nicht etwa gelassen, gereift und entspannt, sondern reagiert so hysterisch und anstrengend wie es für pickelige Teenager üblich ist. Die haben nämlich auch ein gutes Image, jedoch ein Problem damit, weil sie zuviele Modemagazine lesen und glauben, was auf MTV oder VIVA läuft. Dass man zwangsläufig ein Problem mit seinem Image bekommt und Komplexe entwickelt, wenn man den abstrusen Verheißungen der Werbe- und Konsumindustrie hinterher hechelt, ist wohl das Kernproblem von Teenagern und auch von Hertha BSC. Hierin liegt wohl auch der Grund, warum Hertha nie bewundert wird. Wer hat schon Anerkennung für diesen Aufmerksamkeits-Krampf übrig?
Zurück zum Stichwort MTV: Hier finden wir nämlich ein exzellentes Beispiel, was passiert, wenn ein Herthaner (stellvertretend für den Verein) in einen Schönheitssalon geht (was stellvertretend für die verkrampften Versuche der Imagepflege des Vereins steht). Es wird lächerlich. In einer Gesellschaft, die sich durch Darstellungen, die einem zum fremd schämen bringen, geradezu aufgeilt, kann man damit sicherlich den ein oder anderen Sendeplatz füllen. Aber die peinliche Ernsthaftigkeit mit der Hertha sich um ein anderes Image bemüht, wirkt eben so lächerlich wie Vierzehnjährige, die meinen, sie seien jetzt gänzlich erwachsen, weshalb sie den Anspruch erheben, wie Erwachsene behandelt zu werden. Und dass, obwohl sie es weder sind, noch so wirken. Ulmens Auftrag in der Schönheitsfarm spiegelt genau das wider:
Und da wären wir ja wieder bei unserem Spezi Ulmen, der schon vor Jahren erfolglos forderte, dass Seeed eine neue Hymne für Hertha schreiben sollte. Daraus wurde ja bekanntlich nichts. Schade, denn Seeed steht für Berlin. Und zwar im Gegensatz zu Herthas Versuchen stehen sie authentisch für Berlin.
Anderes Beispiel: Berliner Pilsener wusste sich diese Berlin-Kultur sehr gut zu Nutze zu machen und hat einen erfolgreichen Werbeclip gedreht, der ganz passend das Berliner-Image widerspiegelt, ohne dass man dabei gleich den absoluten Brandenburger-Tor-Krampf bekommt. Kaiserbase stellt den kultigen, unverkrampften Soundtrack zur Kampagne.
Hertha sollte zu dem Image stehen, das sie hat. So wie es Leverkusen vormachte und als erste – und gerade deshalb erfolgreich – zu dem Image als Werkself steht. Nur, was ist Berlin, bzw. Hertha? Hertha ist Schulle, Curry-Wurst oder auch Anton, der Super-Herthaner. Und wie Kommentator Thomas schrieb, ist Hertha ebenso Ekel-Alfred.
Hertha sollte also mal etwas entspannter mit ihrem Image umgehen: Scheiß auf das Brandenburger Tor, wir gehen zur ramschigen Kneipe um die Ecke mit dem Namen Fässchen. Lieber einen Flughafen in Tempelhof als ein Infrastrukturprojekt im brandenburgischen Ausland. Besser frei nach Schnauze, als profiliertes PR-Gestelze. Lieber 1:0 gewonnen, als 3:3 und schön gespielt. Irgendwie so halt. Aber sicher nicht play berlin oder eine dieser anderen lächerlichen PR-Krämpfe… Man kann nur hoffen, dass die anstehende Meisterschaft für ein wenig Selbstsicherheit und Entspannung sorgt.
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Ein Kommentar
Guter Beitrag. Na, der hat mich ja nun mehr als genug dafür entschädigt, dass ich gestern hier etwas in den falschen Hals bekam.
Dass sich die meisten Fans in Wahrheit gar keine Goldglitzer-Adler-Hertha wünschen, hat der Verein zum Glück vor ein paar Jahren recht bald begriffen, und rasch wieder einen Rückzieher gemacht. Ich erinnere nur an den Erfolg der Fan-Initiative “Herthafahne – sonst nix”. Aber immer noch muss man der Hertha zu verstehen geben, was Enno heute schrieb: “Besser frei nach Schnauze, als profiliertes PR-Gestelze”. Ich finde, dass das Hertha-Management einen ungewöhnlich starken Drang hat, in der Außendarstellung alles so glatt und sauber wie nur irgend möglich aussehen zu lassen. Und das passt irgendwie so gar nicht zu Berlin.