“Gratuliere mein Junge, gut, dass Du Dich für den Nationalsozialismus entschieden hast?, mein Mitbewohner klopft mir auf die Schulter, die das soeben eingetroffene, lang ersehnte Hertha ? Trikot trägt. Im ?Eisen? fliegen mir skeptische Blicke entgegen, ?was will denn der Hertha ? Frosch hier???, ?Ah, Reichs ? Arne trägt mal wieder die schwarz ? rot ? goldene Kapitänsbinde!?, ?Der Naziverein muss verlieren!? und was man nicht alles zu hören bekommt…Hertha ? Gegentore werden meist bejubelt, soviel Ablehnung und Schadenfreude ist sonst in Bremen nur beim HSV und den Bayern zu beobachten. Der Rest wird mit Ignoranz gestraft, das einzige was zählt ist nun mal Werder. Na immerhin ist bei ?Alle Spiele, alle Tore? die Kneipe wieder leer und man kann in Ruhe Fussball schauen.
Meine wenigen Bekannten im ?Eisen? finden es wohl ziemlich lustig mich als Nazi abzustempeln, Hertha und Berlin zu verunglimpfen. Natürlich lass ich mich nicht aus der Ruhe bringen, dagegen zu argumentieren, dazu hab ich allerdings auch keine Lust mehr, das führt zu nichts. Für die sind Hertha ? Fans Nazis, wenn auch nur wegen dem Witz. Aber in jedem Spaß liegt ja auch ein bisschen Ernst. Ganz von der Hand zu weißen ist es ja auch leider nicht, bewusst halt ich mich beim Besuch von Hertha ? Auswärtsspielen nicht im Gästeblock auf. Man muss zugeben, es gibt sympathischere Fans.
Trotzdem stellt sich mir immer wieder die Frage woher das eigentlich kommt. Bevor ich nach Bremen gezogen bin habe ich nie jemanden getroffen, der in diesen Kategorien denkt. Ich hab aber auch nie wirklich darüber nachgedacht. Meine Liebe zur Hertha hab ich auch erst spät entdeckt. In meiner pubertären ?ich bin dagegen, denn ihr seid dafür? ? Phase, hab ich dem Fussball den Rücken gekehrt. Erst durch meinen Mitbewohner Enno, der keinen eigenen Fernseher hatte und dann in meinem Zimmer Sportschau gesehen hat wurde ich wieder in den Bann gezogen. Ein Besuch im Olympiastadion hat gereicht um mich zum Hertha ? Fan zu machen. Alter Nazibau hin oder her, ein fantastisches Stadion, mit einer tollen Atmosphäre!!
Die Hertha ? Fans, die ich damals kannte, und auch die, die ich seitdem kennen gelernt habe, sind vieles aber alle ganz bestimmt keine Nazis!!! Zu der Zeit als ich also mehr oder weniger regelmäßig im Olympiastadion war, konnte man den Wandel der sich in Berlin langsam aber sicher vollzieht schon beobachten. Viele Familien, Menschen aus allen Schichten, Leute mit intelligenteren Kommentaren zum Geschehen auf dem Spielfeld und Leute mit weniger intelligenten. Wie Fussball halt so ist, ein, nein, DER Breitensport!
In Berlin kann man Anhänger von fast allen denkbaren Vereinen finden. Es herrscht eine gegenseitige Toleranz. Wenn Du in einer Kreuzberger Kneipe Konferenz schaust triffst Du auf Anhänger von mindestens fünf oder sechs Vereinen. Du triffst Fussballfans. In Bremen gibt es nur verdammt wenige Fussballfans, aber ohne Ende Werder ? Fans natürlich. Was die meisten nur allzu gern verdrängen, auch unter diesen gibt es rechtsradikal orientierte, prügelgeile Vollidioten. Trotz allem muss man sagen, dass der durchschnittliche Werderfan, wenn auch anderen Mannschaften gegenüber total ignorant, ein recht sympathischer, verhältnismäßig intelligenter Mensch ist. Die Atmosphäre im Weserstadion ist freundlich, familiär und für die Gastkicker immer schwerer zu bewältigen. Die Verbundenheit der Stadt mit ihrem Fussballverein kann man sich in Berlin nur erträumen.
Anfänglich hab ich mich natürlich noch gegen die Sprüche gewehrt und meinen Gegenübern sind auch irgendwann die Argumente ausgegangen und sie haben mehr oder weniger eingestanden, dass man Herha nicht so ohne weiteres als Naziverein abstempeln kann. Aber das ist ein Wochenende später wieder vergessen und irgendwie hab ich gelernt darüber hinwegzuhören, oder es mit Humor zu nehmen.
Letztlich wollen die mich ja auch nur ärgern, und da mach ich natürlich nicht mit. Aber lässt sich den kein anderer Ansatzpunkt finden, als dieser Nazischeiß?? Vielleicht liegt es auch daran, dass die ganzen Altpunks, die man so im Eisen trifft, sich auch einfach dieses Feindbild erhalten wollen, unabhängig der realen und gegenwärtigen Veränderungen. Wahrscheinlich wollen sie gar keinen anderen Ansatzpunkt finden. Fakt ist, dass sich Hertha verändert, dass der Verein (wenn auch etwas spät) gezielt gegen rechtsradikales Gedankentum im Stadium ankämpft, dass es auch viele Hertha ? Fans gibt die anders sind!!! Das Leben als Herthaner in Bremen ist kein einfaches. Zu zweit (ich und mein jetziger Mitbewohner Lutz) auf weiter Flur, gegenüber eines grün ? weißen Einheitsbreis, Fussballignoranten, faschismusfixierten Altpunks, die in allem und jeden noch Spuren des Regimes entdecken wollen und Vorurteilen gegenüber der tollsten Mannschaft der Liga!! Das Leben als Herthaner in Bremen ist verdammt hart, …aber ich bin hertha!!!
Bekenntnis eines Unbekannten…es muss noch einen geben!!
Keine ähnlichen Beiträge.
7 Kommentare
Da hab ich es als Werderaner in Berlin scheinbar leichter als Du. Is unfair, aber wenn DU Herthaner bist, dann biste Herthaner, und so ein bisschen Gegenwind stärkt den Charakter!
Herrlich! Mensch Fuchs, ich wusste garnicht, dass die Jungs im Eisen dich so piesacken! Wenn ich dich nächste Mal besuchen komme, gehen wir da demonstrative mit Trikots hin. Nützt ja nichts, wenn die lernresistent sind, aber denen müssen wir einfach mal Paroli bieten!
Ich möchte hier nichts totschweigen, aber als langjähriger Herthafan mit einigen Heim- und auch vielen Auswärtsspielen sehe ich bei Hertha eigentlich kein großes Problem mit rechtsradikalismus. Sicherlich gibt es einige, aber das hast du halt überall. Vor ein paar Jahren gab es ein Freundschaftsspiel zwischen Istanbul und Hertha im Olympiastadion, bei dem zwei türkische Besiktasfans die Treppe in der Ostkurve hinuntergingen und von einigen übel beschimpft wurden. Ein paar Deppen wollten sich auf machen und sie verprügeln oder sonst was, doch dann kam von einem großteil der Kurve ein lautes “nazis raus” und es stellten sich welche den Prügelknaben in den Weg bis die Ordner kamen.
Das war für mich neben dem Auswärtsspiel in München beim 1:1 gegen 1860 einer der emotionalsten Momente in meinem Fussball-Leben.
Wenn du lust hast, kannst du übrigens meinen Hertha-Blog lesen. Die URL habe ich oben eingetragen.
Hallo Felix. Danke für deinen Kommentar.
Bestimmt wollen wir hier nicht alle Hertha Fans als rechtsradikale Deppen abstempeln. Ganz bestimmt nicht. Es geht ja vielmehr darum, dass man mindestens außerhalb von Berlin ein Problem bekommt, wenn man sich als Hertha-Fan zu erkennen gibt. Und das liegt unter anderen an “den wenigen” oder an “den paar mehr”, die man jedes Wochenende auf den Bahnhöfen und Stadien treffen kann.
Einer der Lieblingsslogans der “Wenigen” lautet: “Wir sind die Jungs aus der Reichshauptstadt. Ficken oder watt? Ficken oder watt?” Nun, dieser Spruch muss nicht zwingend als rechtsradikal eingestuft werden, wenn man der entaltenen Fragestellung mehr Gewicht verleiht. Dann aber muss man denjenigen, die sich daran erfreuen diesen Spruch zu rufen erstens plattestes Stumpfsein unterstellen und zweitens mindestens ein historisch unreflektiertes Verhalten bescheinigen.
Wenn dann große Gruppen jedes Wochenende so ein Bild abgegeben haben, fällt es eben schwer sich davon zu distanzieren und zu zeigen, dass es auch anders geht. Wir versuchen es zumindest….
Gruß
Hallo Easyfunk,
ja historisch unreflektiertes Verhalten ist der richtige Ausdruck. Heute morgen habe ich zufällig bei Fritz einen Bericht über den Umgang mit dem Wort “Jude” unter jugendlcihen gehört und musste da spontan auch wieder an diesen Blog denken.
Es gibt einfach einen großen Teil unter den schwarzen Schafen, der mitläuft, mitsäuft, mitsingt und trotzdem nicht die NPD wählt. Gutheissen möchte ich das nicht, aber es ist besser als wenn sie aus Überzeugung täten was sie tun.
Das schlechte Image, das Hertha anhaftet hat meiner Meinung nach aber auch etwas mit “unreflektierten Verhalten”, denn wie es vielleicht vor 25 Jahren war ist es heute nicht mehr.
Dazu kommt noch, dass immer wieder gerne in den Medien negativ über Ostdeutschland geschrieben wird. Warum kann ich mir nicht erklären.
Ja, das kann man so sehen, dass es da einen großen Teil gibt, der mitläuft und mitsäuft (passt sprachlich wunderbar!). Allerdings finde ich genau diesen Umstand (schon historisch gesehen) problematisch. Und das ist der Grund, warum man sich m. E. auch kritisch dazu äußern kann. Aber es freut mich ungemein, wenn man erstens sieht, dass diese Kritik nicht auf taube Ohren stößt und zweitens vermehrt geäußert wird.
Und in der Tat ist es ebenso unreflektiert, wenn man die Hertha als Maßstab nimmt, in der die “Frösche” noch das Bild der Fans dominierten. Das ist heute glücklicherweise nicht mehr der Fall. Und das muss man den Leuten nahe bringen. Keine Frage. Aber schwer wird es halt doch manchmal, wenn sich “der Mob” mal wieder vollkkommen daneben benimmt und selbst “an die guten alten Zeiten” anknüpft…
Moin Fuchs.
Ich habe (als Werder-Fan) auch ‘ne Zeitlang im Eisen Fußball geguckt.
Ich denke bei den Sprüchen ist (wie Du ja auch selbst schreibst) schon ein Großteil Provo dabei. Ich war mal vor etwa 13 oder 14 Jahren im Olympiastadion gegen Pauli (das war damals noch ein Zweitliga-Spiel, wenn ich mich nicht irre). Damals waren die Hertha-Fans auf jeden Fall noch ein Feindbild für alle auch nur annähernd links eingestellten Fußball-Fans. Ich finde es aber inzwischen sehr beachtenswert,wie sich die Vereinsführung gegenüber Rechtsradikalismus verhält und kenne inzwischen auch explizit links eingestellte Hertha-Fans aus Berlin.
Viel Spaß weiterhin im “Eisen”, laß Dich nicht unterkriegen!